In ihrer Geschichte haben Juden unermeßliches Leid erlebt. Auch Christen sind ihnen gegenüber immer wieder schuldig geworden. Die Verantwortung für die Shoa lag bei Deutschen. Die Besinnung über diese Schuld bewegt und motiviert uns, Ressentiments gegenüber Juden zu erkennen und diese Denkmuster in der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Völker zu überwinden. Voten und Ängste jüdischer Partner im jüdisch-christlichen Dialog lassen uns sensibel sein und geben Anlass, die jüdische wie die christliche Identität tiefer zu verstehen. So wie die Thora für die Juden ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es in den beiden Testamenten der Heiligen Schrift bezeugt wird, für Christen identitätsstiftend.1
Wir erkennen, dass das Christentum seine Wurzel im Volk 2 Israel hat und das Jesus Jude gewesen ist und als Jude gelebt hat. Jesus ist als Gottes Sohn zum Volk Israel gekommen.3 Der Kreuzestod Christi ist der Höhepunkt der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk. Im Glauben an Jesus Christus schenkt Gott Menschen das Heil. Die Rechtfertigung der Sünder aus Gottes Gnade allein durch Jesus Christus gilt „zuerst den Juden, und dann auch genauso den Heiden.”4 Niemand kommt zum Vater, wenn nicht durch Jesus Christus.5 Die Juden bedürfen darum Jesus Christus und den Glauben an ihn in gleicher Weise wie alle Menschen. Die soziologische Zugehörigkeit zu einer Gruppe (jüdisches Volk oder institutionelle Kirche) ist keine Garantie für das persönliche Heil.6
Zum Auftrag der Kirche gehört deshalb wesensmäßig die Verkündigung des Evangeliums, damit Menschen das Heil, dass Gott ihnen in Jesus Chritus bereitet hat, annehmen können. Im Auftrag zur Mission7 spiegelt sich die Liebe Gottes zu allen Menschen. Wie könnte es darum Menschen geben, denen Christen das Evangelium verschweigen dürften?
Im Blick auf die Juden, das erwählte Volk Gottes, darf es nicht darum gehen, sie aus der Glaubenstradition der Väter herauszureißen, sondern ihre Messiaserwartung zu verknüpfen mit dem Handeln Gottes, welches in Jesus Christus offenbar wurde. Bei unserem Zeugnis achten wir die Freiheit aller Menschen in Glaubensfragen und tolerieren persönliche Entscheidungen und erwarten dies auch von anderen. Wir bedauern, dass Juden, die in Jesus Christus nicht den Messias zu sehen vermögen, sich oft stoßen an der trinitarischen Weite christlicher Gottesdienste und dem christlichen Bekenntnis zu Christus als dem Kyrios (Herrn).8
Als Christen schmerzt es uns, wenn messianische Juden wegen ihres Glaubens bedrängt werden. Als Schwestern und Brüder erfahren sie unsere Unterstützung und Fürbitte. In ihrer Zugehörigkeit zum Volk Gottes und Ihrem Bekenntnis zu Jesus teilen sie unsere Hoffnung auf die Erfüllung der Verheißung Gottes, sein Volk Israel einmal ganz zu erretten.9